Die Neugestaltung
Es ist heute für jede Stadt eine Bereicherung und ein Glück, wenn sich noch Zeugnisse der zerstörten jüdischen Kultur finden lassen, die ein Teil der deutschen gewesen ist. Ein jüdischer Friedhof ist ein schöner, atmosphärischer Ort, der Quedlinburg die Möglichkeit gibt, ein wichtiges Erbe zu bewahren.
Der Jüdische Friedhof Quedlinburg war 2019 sowohl als Ort der Totenruhe als auch als Erinnerungsort und noch mehr als Gedenkort für touristische oder kulturell interessierte Besucher für die Öffentlichkeit verschlossen. Auch befanden sich auf dem etwa 1520 Quadratmeter großen begrünten Areal keine Grabsteine mehr. Ein Gedenkstein wurde 1978 am Ende eines kleinen gepflasterten Gehwegs aufgestellt. Der Friedhof gehört dem Landesverband jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, der sich um den Erhalt seit 1992 kümmert. Bisher war der Landesverband mit dem Zustand des jüdischen Friedhofs Quedlinburg einverstanden und hat Zeit und Geld in die Instandsetzung der Natursteinfriedhofsmauer investiert. Durch die vielfältigen Aufgaben des Landesverbands und die Pflegevorgaben für die etwa 50 verwaisten jüdischen Friedhöfe Sachsen-Anhalts auf der Grundlage einer Vereinbarung von 1957 zwischen dem Bund und den Vertretern der Juden in Deutschland, können aus den geschlossenen Friedhöfen von jüdischer Seite aus keine „Musterfriedhöfe“ entstehen. Die ehrenamtliche Initiative Jüdischer Friedhof Quedlinburg kann sich aber um die Neugestaltung zu einen attraktiven Gedenkort bemühen.
1. Maßnahme Grabsteine
Es gab über das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ 2019 die Möglichkeit, an örtliche Schulen heranzutreten und mit interessierten Schülerinnen und Schülern mittels Georadar nach Grabsteinen zu suchen und die Jugendlichen auch in die weitere Gestaltung des Friedhofs miteinzubeziehen. Der Landesverband erklärte sich bereit, eine Untersuchung der Grasoberfläche mit Georadar zuzulassen, um nach verschütteten Grabsteinen oder Grabsteinresten zu suchen und sie aufzustellen.
Bild rechts: Fragment eines Grabsteines, welches sich vor kurzem auf dem Friedhofsgelände anfand. Vermutlich wurde es dort erst in jüngster Zeit abgelegt. Es wird angenommen, dass viele solcher Fragmente in der Umgebung als Bruchsteine wiederverwendet wurden. Lassen Sie es uns bitte wissen, wenn Sie möglicherweise solche Fragmente besitzen!
SUCHE NACH GRABSTEINEN
Mit einem Georadar wird nach überdeckten Bruchstücken alter Grabsteine gesucht. Schüler von
„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
helfen beim Graben.
Mit einem Georadar wird nach überdeckten Bruchstücken alter Grabsteine gesucht. Schüler von
„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
helfen beim Graben.
Mit einem Georadar wird nach überdeckten Bruchstücken alter Grabsteine gesucht. Schüler von
„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
helfen beim Graben.
2. Maßnahme Begrünung
Der Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt finanzierte 2019 eine Auslichtung des Pflanzenbestands. Um mit dem Georadar ordentlich suchen zu können, musste der Boden von Gestrüpp befreit werden.
Foto links: Zustand vor den Pflegearbeiten auf dem Friedhof.
3. Maßnahme: Gedenktafeln mit Kurzbiografien
Die Stadt Quedlinburg hat mindestens 37 Todesopfer der Shoah zu beklagen. Für sie gibt es keine Grabsteine. Die Biografien sind nicht von allen überliefert. Dr. Eberhard Brecht hat bei seinen Recherchen über die jüdischen Bürger und Bürgerinnen von Quedlinburg Informationen über einige der Opfer zusammengetragen. Die Initiative hat diese Daten genutzt und für einige der Opfer Gedenktafeln aus Messing an der Friedhofsmauer angebracht. Auf diesen Gedenktafeln stehen die Lebensdaten. Damit soll den jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht um die Bestattung auf diesem Friedhof gebracht worden sind, etwas zurückgegeben und die Lücke, die durch ihre Abwesenheit in einem Grab entstand, sichtbar gemacht werden.
4. Maßnahme: Kunstprojekt "erinnern" von Esther Brockhaus
Auf dem Friedhof sind alle Grabanlagen, samt Grabsteinen und Grabsteinresten verschwunden, gestohlen oder in staatlichem Auftrag beseitigt worden. Die Gebeine befinden sich noch unter der Erde. Jüdische Grabsteine markieren normalerweise die Begräbnisstelle.
Die Künstlerin Esther Brockhaus erklärte sich bereit, ihre Steinbildarbeit "erinnern" dem Jüdischen Friedhof Quedlinburg zur Verfügung zu stellen. Sie hat menschliche Fußabdrücke in neun Sandsteine gehauen. Diese Kunstwerke sind nun auf der begrünten Fläche des Friedhofs ausgestellt. Dadurch befinden sich so wieder Steine auf dem Friedhof und andererseits markieren diese Fußabdrücke Spuren, die bisher unsichtbar waren.
Fotos von der Neugestaltung, Oktober/November 2020
Vielen Dank an Jürgen Meusel, Mark Hörstermann und Maria Hufenreuter für die Fotos.
Mehr zu den Gedenktafeln mit Kurzbiografien und dem Kunstprojekt "erinnern" von Esther Brockhaus weiter unten auf dieser Seite! Vielen Dank an Jürgen Meusel und Maria Hufenreuter für die Fotos.
Vielen Dank an Jürgen Meusel, Mark Hörstermann und Maria Hufenreuter für die Fotos.
5. Maßnahme: Infotafel
Die neue Infotafel wird eingeweiht. Im Bild rechts: Grafiker Matthias Ramme (von 300gramm.de) der die Gestaltung und Produktionsbegleitung übernommen hatte.
Aktionen
„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ & Initiative jüdischer Friedhof
Die Regionalkoordination „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SoR-SmC) des Harzkreises (www.reichenstrasse.de/index.php/schule-ohne-rassismus) unterstützt die Initiative Jüdischer Friedhof Quedlinburg mit der Mitarbeit von elf NetzwerkschülerInnen des SoR aus den Titelschulen des Harzkreises, des GutsMuths Gymnasiums, der Freien Waldorfschule Thale und der SEK Bosseschule.
Außerdem beteiligen sich Mitglieder der Jungen Gemeinde Quedlinburg. Weitere InteressentInnen sind herzlich willkommen!
Die Auftaktveranstaltung mit ersten Informationen fand am 11. September 2019 im Kulturzentrum Reichenstraße (KuZ) Reichenstrasse e.V. statt. Dort stellte Dr. Eberhard Brecht, OB a.D. sein Buch: "Zerstörte Lebenswelten - Juden in Quedlinburg 1933 - 1945" mit anschließender Podiumsdiskussion vor. Jennifer Fulton, die Regionalkoordinatorin des SoR, hielt einen Vortrag zu lebendiger Erinnerungskultur.
Die Gruppe traf sich in einem regelmässigen Turnus ca. zweimal im Monat im Kulturzentrum Reichenstrasse e.V., um dort gemeinsam Ideen für eine„Stele der Erinnerung“ zu entwickeln.
Entwürfe sollen in einer Ausstellung gezeigt werden. Eine „Visionsschmiede“ zur Umsetzung der entwickelten Skizzen wird die Schau begleiten.
„Die Stele der Erinnerung“ soll anschließend auf dem Friedhof aufgestellt werden.
Außerdem haben die Jugendlichen an einer Stadtführung zum Jüdischen Leben in Quedlinburg teilgenommen, die von der Quedlinburger Tourismus Marketing GmbH (QTM) angeboten wird. Die SchülerInnen werteten die Führung hinterher aus.
Im November 2019 wurde mit Georadar nach Grabsteinen unter der Grasnarbe des Friedhofs gesucht. Auch darin waren die Jugendlichen einbezogen.
Die gesammelten Daten wurden anschließend ausgewertet und besprochen.
Finanziert wurde das Projekt der Neugestaltung des Jüdischen Friedhofs von Partnerschaft für Demokratie Quedlinburg, die dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ angehört. Die Evangelische Kirchgemeinde Quedlinburg als Begleitausschuss hat dieser Zuwendungsmaßnahme zugestimmt.
Das Archiv
Im Kreisarchiv Halberstadt fanden sich sieben Kisten mit Material zu jüdischen Themen rund um Quedlinburg, gesammelt von Dr. Manfred Kummer. Er war ein engagierter Quedlinburger, der sich unermüdlich für Gedenken an die Opfer der Shoah und den Erhalt der jüdischen Spuren in der Stadt eingesetzt hat. Er schrieb Artikel und Leserbriefe, recherchierte in Archiven und gab mit Dr. Eberhard Brecht gemeinsam eine Broschüre über die „Juden in Quedlinburg“ (Halberstadt 1996) heraus. Er empörte sich öffentlich über den Umgang mit dem Jüdischen Friedhof in Quedlinburg. Außerdem sprach er die Hoffnung aus, dass sich irgendwann ein paar Leute zusammen tun und dem Friedhof seine Würde zurückgeben. Dr. Kummers Dokumente wurden im damaligen Quedlinburger Kreisarchiv gelagert und von Archivmitarbeitern ergänzt. Ein Teil davon betrifft den Jüdischen Friedhof.
Auf dieser Webseite sind die meisten Bilder aus dem Archiv übernommen worden. Sie wurden Dr. Manfred Kummer für seine Recherchen und zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Die anderen Bilder stammen von Maria Hufenreuter, Jürgen Meusel und Mark Hörstermann.